Zum Fortbestand des Handelsvertretervertrags in der Insolvenz des Vertreters

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2009 – I-16 U 160/09

Zum Fortbestand des Handelsvertretervertrags in der Insolvenz des Vertreters

Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 15. Juli 2009 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner, Handelsvertreter der Beklagten, kündigte mit Schreiben vom 7. Februar 2008 den ordentlich erstmalig zum 31. August 2010 kündbaren Handelsvertretervertrag vom 1. September 2005 fristlos. In dem daraufhin von der Antragstellerin angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren untersagte das Landgericht mit Urteil vom 22. April 2004 dem Antragsgegner, bis einschließlich zum 31. August 2010 in Konkurrenz zur Antragstellerin zu treten, und verbot ihm insbesondere jedwede Vertriebstätigkeit für Unternehmen, die Tiefkühlprodukte herstellen und/oder vertreiben.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Siegen vom 13. Januar 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragsgegners wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet; Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt ….

Mit dem angefochtenen Urteil vom 15. Juli 2009 hat das Landgericht den Antrag des Antragsgegners, die mit Urteil vom 22. April 2008 erlassene einstweilige Verfügung gemäß § 927 Abs. 1 ZPO aufzuheben, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners lasse den Bestand des zwischen ihm und der Antragstellerin geschlossenen Handelsvertretervertrages unberührt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragsgegners, der die Aufhebung des Urteils vom 15. Juli 2009 und der einstweiligen Verfügung vom 22. April 2004 begehrt.

II.

Die zulässige Berufung des Antragsgegners bleibt ohne Erfolg.

A.

Es kann dahinstehen, ob die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geeignet ist, eine erlassene einstweilige Verfügung des hier in Rede stehenden Inhalts wegen veränderter Umstände gemäß § 927 ZPO aufzuheben. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen dieser Norm nicht vor. Denn der Handelsvertretervertrag erlosch nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners; dem Insolvenzverwalter steht auch kein Wahlrecht nach § 103 InsO zu.

a) Der Untergang des Handelsvertretervertrags ergibt sich nicht aus § 115 InsO. Ein Auftrag im Rechtssinne setzt einen Vertrag voraus, der eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (vgl. Ott/Vuia, in: Münchener Kommentar Insolvenzordnung, 2. Auflage 2008, § 115 Rn. 4); hieran fehlt es vorliegend.

b) Das Vertragsverhältnis endete auch nicht nach § 116 Satz 1 InsO. Hat sich jemand durch einen Dienst- oder Werkvertrag mit dem Schuldner verpflichtet, ein Geschäft für diesen zu besorgen (wie hier der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin), so gilt § 115 InsO entsprechend. Geschäftsbesorgungsverträge im Sinne von § 116 InsO sind insbesondere Handelsvertreterverträge (vgl. Ott/Vuia, aaO, § 103 Rn. 105, sowie die umfangreichen Zitate auf S. 2 erster Absatz des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 10. November 2009). Nach § 115 InsO erlischt ein vom Schuldner erteilter Auftrag, der sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Anwendbar ist § 116 InsO bereits seinem Wortlaut nach nur im Falle der Insolvenz des Geschäftsherrn. Die Insolvenz dessen, der zur Geschäftsbesorgung verpflichtet ist, führt nicht zur Auflösung des Vertragsverhältnisses nach dieser Vorschrift (vgl. Ott/Vuia, aaO, § 116 Rn. 4). Nur diese Auslegung von § 116 Satz 1 InsO ist mit Sinn und Zweck dieser Norm vereinbar. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, dass Dritte unter Berufung auf entsprechende vertragliche Bindungen Geschäfte für den Schuldner besorgen und dadurch den Insolvenzverwalter in der Erfüllung seiner Aufgaben behindern (vgl. Ott/Vuia, aaO, § 116 Rn. 1). Ist der Schuldner indes, wie hier, nicht der Geschäftsherr, so kann es zu einer Kollision der Geschäftsbesorgung mit der Verwaltungskompetenz des Insolvenzverwalters von vornherein nicht kommen (vgl. Ott/Vuia, aaO, § 116 Rn. 4). Dies entspricht, so weit ersichtlich, auch einhelliger Ansicht (vgl. nur MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, § 89 Rn. 25; Löwisch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage, § 89 Rn. 7 mit zahlreichen weiteren Nennungen; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 89 Rn. 4).

c) Das Vertragsverhältnis endete nach herrschender, vom Senat geteilter Ansicht auch nicht gem. § 103 InsO. Das dort geregelte Wahlrecht des Insolvenzverwalters stand und steht Rechtsanwalt … als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Antragsgegners nicht zu. Zum einen enthält nach zutreffender Ansicht der hier einschlägige § 116 InsO eine insoweit abschließende und nach anderen Vorschriften der InsO bestehende Verwalterwahlrechte verdrängende Sonderreglung für Handelsvertreterverträge, welche dem Insolvenzverwalter beider Vertragspartner ein Geltendmachen der Rechte aus § 103 oder 113 InsO verwehrt (Löwisch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, aaO). Zum anderen besteht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO der Handelsvertretervertrag im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Handelsvertreters mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort (Emde, BB Beilage 2007, Nr. 003, S. 3, 17, zitiert nach juris; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band 1, 3. Aufl., Rn. 1382, 1722; Stumpf/Ströbl, MDR 2004, 1209, 1211; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, § 89 Rn. 25). Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bestehen Dienstverhältnisse des Schuldners mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Diese Norm ist auf den Handelsvertretervertrag anwendbar, da dieser Dienstvertrag über Geschäftsbesorgung und Vertrag über selbstständige Dienste ist (vgl. Baumbach/Hopt, aaO, § 86 Rn. 1). Ein Wahlrecht gem. § 103 InsO zwischen Erfüllung und Nichterfüllung des Handelsvertretervertrages steht dem Insolvenzverwalter bereits deswegen nicht zu, weil die aus einem Handelsvertretervertrag sich ergebenden Pflichten und Ansprüche höchstpersönlicher Natur sind und der Insolvenzverwalter naturgemäß außer Stande ist, den Handelsvertretervertrag anstelle des Gemeinschuldners, hier also des Handelsvertreters, zu erfüllen und dessen persönliche Leistung zu bewirken (Küstner/Thume, aaO, Rn. 1722). Die auf Seite 4 unten der Berufungsbegründung vertretene gegenteilige Ansicht, der Insolvenzverwalter müsse die aus den Handelsvertretervertrag dem Gemeinschuldner obliegenden vertraglichen Verpflichtungen erfüllen, geht insoweit fehl.

d) Die an dieser den Parteien mit Hinweisbeschluss mitgeteilten Sichtweise des Senats geäußerte Kritik des Antragsgegners im Schriftsatz vom 10. November 2009 vermag den Senat nicht zu überzeugen. Es mag sein, dass § 103 InsO die Grundlage sämtlicher Beurteilung von Vertragsverhältnissen obliegt und nur durch Sonderregelungen in den §§ 104 ff InsO verdrängt werden kann. Indes bestehen, wie ausgeführt, für den hier gegebenen Fall der Insolvenz des Handelsvertreters gegenüber § 103 InsO Sonderregeln in den §§ 104 ff. InsO, und zwar in § 116 InsO sowie in § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO. Dementsprechend vermag der Antragsgegner, soweit ersichtlich, auch nicht eine Rechtsprechungsentscheidung zu benennen, die den hier vorliegenden Fall der Insolvenz des Handelsvertreters betrifft; die im Schriftsatz des Antragsgegners von 10. November 2009 auf S. 3 zitierte Rechtsprechung bezieht sich ausschließlich auf die Insolvenz des Unternehmers.

B.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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